|Seit ich mich erinnern kann, wurde in meiner Familie Tee getrunken. Meist schon zum Frühstück und dann noch mehrfach über den Tag verteilt, auf jeden Fall aber um 15:00 Uhr und zum Abendessen. Vermutlich habe ich den ersten Ostfriesentee schon getrunken, bevor ich mir dessen überhaupt bewusst werden konnte, jedenfalls erinnere ich mich nicht an meine erste Tasse. Das in Tee Koffein enthalten ist, spielt in Ostfriesland keine Rolle und so kriegen eben auch schon kleine Kinder ihr Köpcke (Tasse) serviert.
Interessanterweise galten in Bezug auf Kaffee für mich andere Regeln: den durfte ich erst ab vierzehn Jahren langsam probieren, mochte ihn zunächst auch nicht sonderlich gerne. So eine Tasse malzig-kräftiger und süßer Ostfriesentee schmeckt dann doch deutlich besser, wenn man den Kaffeegeschmack noch nicht lieben gelernt hat. Heute trinke ich beides sehr gerne und an den meisten Tagen auch Tee und Kaffee in Abwechslung.
Wie man überall lesen kann, wenn man nach der ostfriesischen Teezeremonie sucht, gibt es feste Regeln, wie der Tee zubereitet und getrunken werden sollte. So wird zuerst der Treckpott (Teekanne aus Porzellan oder Metall) mit etwas kochendem Wasser vorgewärmt und ausgespült. Danach wird der Tee dosiert, nämlich ein Teelöffel pro geplante Tasse Tee und ein Löffel extra für die Kanne.
Bis zur Hälfte mit kochendem Wasser aufgefüllt, darf der Tee nun ein paar Minuten ziehen und dann wird die Kanne vollständig gefüllt und der Ostfriesentee kann serviert werden. Bei meinen älteren Verwandten ist dies tatsächlich die Art, wie der Tee bereitet wird und auch meine Mutter macht es bei festlichen Anlässen nach dieser Form, auch wenn der Bequemlichkeit halber häufig Beutel benutzt werden.
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In die Teetasse wird dann zunächst ein großer Kluntje platziert, der dann mit dem heißen Tee übergossen wird. Das löst ein leises knacken und knistern aus und weckt bei mir Erinnerungen an die dutzenden Teetafeln und Geburtstage, bei denen mir meine Oma oder meine Großtante den Tee einschenkte. Danach kommt noch ein Wulkje (Wölkchen) Sahne dazu, wobei diese vorsichtig den Tassenrand entlang in den Tee gegossen wird, sodass ein kleines Sahnewölkchen auf der Teeoberfläche entsteht.
Jetzt folgt der Teil, über den man sich streiten könnte: umrühren oder nicht? Die reine Lehre besagt, dass man den Tee nicht rührt und so die verschiedenen Geschmacksschichten einzeln und nacheinander trinkt. Zunächst die Sahne, dann der etwas bittere Tee und zum Schluss die starke Süße des Kluntje. Viele rühren ihren Tee jedoch kurz um, bevor sie ihn trinken und auch ich handhabe es so, da der Teegenuss dann einfach runder ist.
Im Alltag haben bei meinen Eltern und der jüngeren Generation einige fast frevelhaft anmutende Praktiken Einzug gehalten: der gute Ostfriesentee wird aus einem Becher getrunken, da man zu faul ist, eine Kanne vorzubereiten. Vor fünfzig Jahren wäre man dafür sicher noch aus der Ostfriesenschaft ausgeschlossen worden. Aber wie gesagt, zu besonderen Anlässen oder wenn man sich Zeit nehmen möchte, wird auch bei uns nach wie vor der Treckpott zum Einsatz gebracht.
Möchte man dann schließlich irgendwann ab der dritten Tasse keinen Tee mehr eingeschenkt bekommen, sollte man den Teelöffel in die Tasse stellen: Das Zeichen dafür, dass man genug hat. Das hat mir meine Oma als ich klein war auch nachhaltig beigebracht, indem sie mir immer wieder Tee nachgoss, obwohl ich ihr sagte, dass ich genug hätte. Sie schaute mich dann nur leicht grinsend an und goss weiter, bis mich meine Cousine netterweise aufklärte. Diesen Gefallen möchte ich auf diesem Wege an euch weitergeben, wobei sicher nur Ostfriesen diese „harte“ Schule durchleben müssen. Es gibt jedoch schlimmeres als sieben Tassen Ostfriesentee, da bin ich mir sehr sicher.
Zuerst gibst du einen Teelöffel echten Ostfriesentee pro Tasse in eine Teekanne und übergießt diesen mit kochendem Wasser. Nach drei bis fünf Minuten ist der Tee gezogen. Dann legst du einen Kluntje (Kandiszucker) in eine Teetasse und gießt den Ostfriesentee langsam darüber. Achte auf das schöne Knacken. Zu guter Letzt legst du vorsichtig einen Löffel ungeschlagener Sahne auf den Tee. Normalerweise trinkt man ihn ungerührt, damit man die verschiedenen Geschmacksschichten herausschmecken kann.
Ostfriesentee ist eine kräftige Schwarzteemischung, bei der Assamtees die Hauptrolle spielen. Insgesamt werden bis zu zehn Teesorten gemischt, darunter auch Darjeeling- und Ceylon-Tees, aber auch Sorten aus Afrika oder von den Inseln Java du Sumatra. Nur der in Ostfriesland hergestellte Ostfriesentee darf sich „echt ostfriesische Mischung“ nennen.
Ostfriesen trinken bis zu 300 Liter Ostfriesentee im Jahr und sind damit Weltmeister im Teetrinken. Sie trinken sogar mehr als die Engländer, die für ihre „Teatime“ berühmt sind.
6 Comments
Sehr schöner Bericht über die ostfriesische Teekultur. Da bekommt man richtig Lust auf eine große Kanne Tee.
Dazu leckeres Gebäck und Kerzenschein.
Freut mich, dass der Beitrag dir gefallen hat 🙂
Nix geit över een Teetied.
Dat hest du ganz wunnebor verklort!
Das freut mich 🙂
Danke dir für’s Lesen!
Und ich bin immer noch in Neuseeland, wo wir uns 2013 in Blenheim glaube ich getroffen haben.. und meine Mutti schickt regelmäßig Survivalpakete mit Thiele Silber rüber ♡♡
Schwierig hier Traditionen wach zu halten, da alle nicht Ostfriesen (ich kenne hier keine 😀 ) natürlich über die zwei kleinen Tässchen mit ostfriesischer Roseherzlich lachen 😀
Moin Imke 🙂
Schön von dir zu hören und dass du in der Ferne immer noch versuchst, die ostfriesische Kultur am Leben zu erhalten 😀
Ich kriege ja ab und zu per Facebook was mit und muss sagen, ein nicht geringer Teil von mir will dringend mal wieder nach Neuseeland…
Freut mich, dass der Nachschub an Thiele Tee zumindest gesichert ist, das ist die halbe Miete 😀